Geschichte

Der Verband Deutsche Staatsbürgerinnen und die deutsche Frauenbewegung

Deutschland ist für Frauen, besonders im internationalen Vergleich, ein größtenteils sicheres Land. Aber nur, weil geschlechterbezogene Diskriminierung vom Grundgesetz verboten wird, viele Frauen arbeiten und gute Bildungschancen haben, ist noch lange nicht alles gut. Frauen werden in vielen Bereichen benachteiligt, beim Gender Pay Gap, beim Gender Care Gap, erfahren sexualisierte Gewalt, sind weniger im Parlament vertreten, beziehen niedrigere Renten, und und und. Hier ist die Politik in der Pflicht, endlich gleichwertige Lebensverhältnisse für Frauen herzustellen.

Ein paar Schlaglichter auf Probleme und Gegenmaßnahmen:

1865
Gründung
Gründung des Allgemeinen Deutschen Frauenverein auf der Ersten Deutschen Frauenkonferenz durch Louise Otto-Peters

Unsere Gründungsmutter Louise Otto-Peters (1819-1895)

  • politische Schriftstellerin und Publizistin
  • konnte viele Werke nur nach Änderungen wegen staatlicher Zensur veröffentlichen
  • gab von 1849 bis 1853 ein politisches Frauenmagazin heraus

Louise Otto-Peters gründet 1865 den Allgemeinen Deutschen Frauenverein auf der Ersten Deutschen Frauenkonferenz.

Die Ziele von Louise Otto-Peters und Auguste Schmidt als Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins:

-        Frauen sollen arbeiten dürfen

-        Gleiche Bildung für Mädchen und Jungen

 

-        Mehr Lehrerinnen und bessere Ausbildung für Lehrerinnen 

1879
Stipendienfond
Der Allgemeine Deutsche Frauenverein richtet einen Stipendienfond für Studentinnen ein
1899/1900
Errungenschaft
Frauen werden an Universitäten als Studentinnen zugelassen
1902-1921
Ziele
Ziele von Helene Lange als Vorsitzende

Die Ziele von Helene Lange als Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins:

  • Frauen sollen beruflich und politisch in ihren Kommunen und Landkreisen einbezogen werden
  • bessere Bedingungen für zivilgesellschaftliches Engagement von Frauen
1908
Errungenschaften
Mädchenbildungsreform und Frauen dürfen in politische Parteien eintreten
1918
Errungenschaft
Einführung des Frauenwahlrechts
1921-1933
Ziele
Ziele von Dorothee von Velsen als Vorsitzende

Mit der Vorsitzenden Dorothee von Velsen reagiert der Allgemeine Deutsche Frauenverein auf die Erfolge der ersten Welle der Frauenbewegung und die Herausforderungen für den Verein in der Weimarer Republik:

  • internationale Netzwerke: Der Verein schließt sich der International Woman Suffrage Alliance an (heute: International Alliance of Women)
  • Neuorientierung auf zivilgesellschaftliches, staatsbürgerliches Engagement: Der Verein gibt sich 1928 den neuen Namen Staatsbürgerinnen-Verband E. V. — Allgemeiner Deutscher Frauenverein 1865 (rechts an der Seite: Feld “Name”)
  • Das Vermögen des Vereins sinkt dramatisch in der Inflation der Weltwirtschaftskrise
1923
Neuorientierung
Neuer Name und neue Satzung

1923 gab sich der Verein eine neue Satzung und einen neuen Namen, damit war eine Neuorientierung der Aufgaben und Ziele verbunden:

„Der Allgemeine Deutsche Frauenverein bezweckt den Zusammenschluß von Personen und Vereinen, die ihre Bestrebungen auf Einsetzung der Frau in die volle Mitarbeit an den staatsbürgerlichen Kulturaufgaben richten, sowie eine wahre Gleichberechtigung der Frau im öffentlichen und privaten Leben erstreben. Er ist als deutscher Zweig dem Weltbund für Frauenstimmrecht angeschlossen. Das Aufgabengebiet der Ortsgruppen erblickt er in erster Linie in planmäßiger Erweiterung des Fraueneinflusses in der Gemeinde.“

1933
Auflösung
Auflösung

1933 löst sich der Verein selbst auf, um der Gleichschaltung durch die Nazis zu entgehen

1947
Neugründung
Neugründung des Vereins als Notgemeinschaft 1947 - Deutscher Staatsbürgerinnen-Verband (DSV)

Aus dem (Neu-)Gründungsdokument: “Der Geist, mit dem wir diese Arbeit erfüllen wollen, ist der der staatsbürgerlichen Freiheit der Person, der Achtung vor dem einzelnen Menschen sowie der demokratischen Verantwortung gegenüber dem Volksganzen. Unsere eigene Mitgliederschaft werden wir vertraut machen mit den staatsbürgerlichen, kulturpolitischen und sozialpolitischen Aufgaben der Gegenwart. Die staatsbürgerliche Gleichberechtigung der Frauen, deren Verwirklichung auf allen Gebieten der öffentlichen Ordnung wir prüfen und verfolgen werden, ist uns selbstverständliche Voraussetzung unserer Arbeit, ebenso wie das Zusammenwirken mit allen gleichgerichteten internationalen Frauenverbänden.”

Der Staatsbürgerinnen-Verband organisiert:

  • Hilfsaktionen für Flüchtlinge und arme Menschen während der Berlin-Blockade
  • Bildungsveranstaltungen, sog. “Staatsbürgerinnen-Kurse”, zu sozialpolitischen, historischen, juristischen, außen- und tagespolitischen Themen
  • Treffen mit ostdeutschen Frauen, Konferenzen mit DDR-kritischen Inhalten
1972/74
Errungenschaften
Teilweise Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen
1977
Errungenschaft
Frauen dürfen ohne die Erlaubnis ihres Ehemanns einer Lohnarbeit nachgehen
1980er
Gründungen
In der DDR gründen sich lesbisch-queere Frauenvereine
1997
Errungenschaften
Vergewaltigung in der Ehe wird ein Straftatbestand

Soziale, politische und kulturelle Faktoren der Geschichte der Frauenbewegung

  • Industrialisierung und Arbeiter*innenbewegung: Frauen sind Arbeiterinnen, die Arbeiter*innenbewegung kämpft gegen bürgerlich-patriarchale Machtstrukturen und für bessere Arbeitsbedingungen
  • Demokratisierung: Gleiche Teilhabe am politischen und zivilgesellschaftlichen Leben für alle, Freiheit und Selbstbestimmung werden staatliche Prinzipien
  • Bürgerliche Frauen mit männlichen Unterstützung und Vermögen: Louise Otto-Peters gründete mit ihrem Mann aus ihrem gemeinsamen Vermögen einen Fond für weibliche Studierende
  • Medienlandschaft: Frauenaktivistinnen geben Zeitungen und Magazine heraus, verteilen Flugblätter
  • Teilung Deutschlands: Frauen in Ostdeutschland arbeiten, heiraten meist später und verstehen sich als selbstverständlich gleichberechtigter Teil der Gesellschaft, nach der Wiedervereinigung beschleunigen sie die Gleichstellung der Frauen